Wer schreibt, der bleibt – Schreibzentren an deutschen Hochschulen

Die Angst vor dem weißen Blatt kennt fast jeder. Schließlich ist es das eine, seinen Stoff souverän zu beherrschen, aber etwas ganz anderes, ihn strukturiert und gut lesbar zu Papier zu bringen. Dieser Hürde sahen sich Generationen von Studierenden gegenüber, heute jedoch fühlt sich eine wachsende Zahl von Studierenden damit überfordert und droht daran zu scheitern.

Studierende sollen im Laufe ihres Studiums Kompetenzen für die Erstellung von akademischen Texten entwickeln. Dies gilt seit jeher als zentrales Studienziel, vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Lange Zeit ging man davon aus, dass die Studierenden diese Kompetenz sich mehr oder minder selbstständig aneignen würden oder diese sich im Laufe des Studiums irgendwie von selbst einstellen würde, sozusagen als implizite Kompetenzentwicklung.

Die Entwicklung von Schreibkompetenzen an den Hochschulen

Unter den Bedingungen der Massenuniversitäten gelingt es jedoch vielen Studierenden nicht mehr, diese Kompetenzen implizit herauszubilden. Hinzu kommt, dass mit der Bologna-Reform und der damit verbundenen stärkeren Schwerpunktsetzung auf schriftliche Ausfertigungen viele Studierende vor die Anforderung gestellt sind, eine Vielzahl von Haus- und Seminararbeiten in mitunter knappen Zeiträumen zu verfassen und dabei auch die schriftlichen Prüfungen erfolgreich zu absolvieren.

Eine Reihe von Universitäten hat angesichts dessen Schreibzentren eingerichtet, mit denen ein Angebot geschaffen wurde, Schreibkompetenz explizit zu entwickeln. Gemäß dem Motto „Schreibkompetenz ist ein Erfolgsfaktor im Studium“ (Schreibzentrum Bayreuth) verstehen sie sich als Anlaufstelle für alle Fragen rund um das wissenschaftliche Schreiben und als Serviceeinrichtung für Studierende und Promovierende sämtlicher Fachrichtungen. Ihnen bieten sie durch individuelle Einzelberatungen, Kurse und Workshops zum wissenschaftlichen Schreiben Unterstützung bei der Abfassung ihrer Studien- oder Abschlussarbeiten.

Dabei werden durchaus unterschiedliche Strategien verfolgt. Zum einen gemäß der Annahme der sog. social contructivist theory, die besagt, dass Wissen nicht im Alleingang, sondern im sozialen Kontext erworben wird. Hierbei wird das Schreiben als Prozess betrachtet, bei dem soziale Interaktion und gedanklicher Austausch ausdrücklich gewünscht sind. Deshalb arbeiten in Schreibzentren, die einen solchen Ansatz verfolgen, oftmals keine Schreibprofis, sondern Studierende, die eine entsprechende „Grundausbildung“ erfahren haben und im Dialog mit den Ratsuchenden deren Schreibprojekt vorantreiben.

Die andere Strategie zielt darauf ab, Schreibberatung durch Profis anzubieten. Hier ist der gedankliche Austausch eher hierarchisch strukturiert.

Welche Strategie die richtige ist, soll hier offen gelassen werden. Fakt ist, dass es grundsätzlich begrüßenswert ist, den Studierenden solche Angebote zu unterbreiten. Davon zeugt auch die Tatsache, dass die Beratungsangebote an diesen Schreibzentren einen guten Zulauf erfahren.

Allerdings sind solche Angebote noch bei weitem nicht allen oder gar einem Großteil der Hochschulen verankert. Vielmehr existieren im deutschsprachigen Raum erst ca. 40 Schreibzentren bei ca. 400 Hochschulen. Die beachtliche Nachfrage nach den Leistungen der Schreibzentren zeigt den vorhandenen Bedarf und belegt die wichtige Funktion solcher Einrichtungen in der deutschen Hochschullandschaft.

Es bleiben Lücken in der Schreibberatung

Freilich werden sie auch auf absehbare Zeit kaum in der Lage sein, die Lücke tatsächlich zu füllen, auf die ihre Arbeit verweist. Das nicht nur deshalb, weil es an rund 90 % der mehr als 400 deutschen Hochschulen eben noch kein Schreibzentrum gibt. Sondern vor allem, weil die von den heutigen Studienbedingungen geprägte verbesserungsbedürftige Betreuungsqualität durch solch punktuelle Angebote nicht auszugleichen ist. Solange sich an diesen Bedingungen nichts Grundlegendes ändert, bleiben die Schreibzentren ein Tropfen Tinte auf dem heißen Stein, da damit die mitunter schlechte Betreuungssituation an den Hochschulen jedoch nur bedingt kompensiert werden kann. Diese Situation führt nach wie vor dazu, dass viele Studierende überfordert sind und ihr Studium abbrechen. Um dies doch noch zu vermeiden, suchen einige Studierende die Unterstützung eines Ghostwriters oder auch Schreibcoaches, was zwar sehr viel teurer ist, oftmals aber letztlich das Studium rettet.