Entscheidet die Herkunft über den Studienerfolg?

Studierende mit Migrationshintergrund sind im deutschen Hochschulwesen deutlich seltener zu finden als Studierende ohne familiäre Migrationsgeschichte. Darüber hinaus weisen sie einen geringeren Studienerfolg auf als ihre deutschen Kommilitonen.

Wissenschaftliche Studien enthüllen die Hürden einer akademischen Ausbildung von Studierenden mit Migrantenhintergrund

Mit den vielschichtigen Ursachen dieses Phänomens haben sich in den letzten rund 10 Jahren vor allem drei größere Untersuchungen beschäftigt: eine bereits aus dem Jahr 2009 stammende Studie des BAMF, eine Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration sowie eine Studie der Stiftung Mercator (beide aus dem Jahr 2017).

Alle drei Studien untersuchen die sehr heterogene Gruppe der Studierenden mit internationalem bzw. migrantischen Hintergrund. Heterogen ist diese Gruppe deshalb, weil sie beispielsweise sowohl Studierende umfasst, die für ein Maschinenbaustudium eigens aus China kommen, als auch türkischstämmige Studierende der Germanistik, die seit ihrer Kindheit in Deutschland leben.

Trotz verschiedener methodischer Schwierigkeiten und Unterschiede zeigen die Studien eine Reihe von Gemeinsamkeiten über den Zeitablauf hinweg: Überdurchschnittlich viele dieser Studierenden weisen schlechte Prüfungsleistungen sowie eine abnehmende Motivation auf und brechen ihr Bachelorstudium schließlich ab. Für diesen geringen Studienerfolg existiert keine monokausale Erklärung. Vielmehr ist eine Vielzahl von Gründen dafür verantwortlich.

Während bei internationalen Studierenden insbesondere Sprachhürden und eine ungewohnte Lernkultur erschwerend sein können, sind bei in Deutschland lebenden Studierenden mit Migrationshintergrund andere, tiefschichtigere Ursachen auszumachen, die gleichzeitig dafür verantwortlich zeichnen, dass diese Studierenden an den deutschen Hochschulen unterrepräsentiert sind. Sie sind größtenteils in Deutschland geboren und aufgewachsen und haben prinzipiell keine Probleme mit der Alltagssprache. Sie haben jedoch häufig Schwierigkeiten damit, wissenschaftliche Texte zu verfassen oder in Seminaren anspruchsvolle fachliche Themen zu diskutieren. Dies trifft auch auf jene zu, die bereits im Kindes- oder Jugendalter nach Deutschland zugewandert und somit von Beginn an in einem deutschsprachigen Umfeld aufgewachsen sind. Dies ist im Vergleich zu den deutschen Studierenden umso erstaunlicher, da beide Gruppen das deutsche Schulsystem durchlaufen haben.

Soziale Herkunft und Studienerfolg

Den genannten Studien zufolge liegen die Gründe zum einen in der sozialen Herkunft. Über die Hälfte der Studierenden mit Migrationshintergrund sind in ihrer Familie die Ersten, die einen akademischen Ausbildungsweg einschlagen. Rund 20% entstammen zudem einem niedrig gebildeten Elternhaus (bei den Studierenden ohne Migrationshintergrund sind es nur 5 %). Wenn also im Studienverlauf Probleme auftreten, können diese Studierenden seltener auf Unterstützung von Eltern und Verwandten hoffen, da hier schlichtweg der Erfahrungshintergrund fehlt. Zum anderen ist die Sprachbildung entscheidend, die sie in ihrer Schulzeit erfahren. Hier zeigt sich, dass Studierende mit Migrationshintergrund häufig nicht dieselbe Vorbildung genossen haben wie ihre Studienkollegen ohne Migrationshintergrund, u.a. weil im Sprachgebrauch des Elternhauses nicht unbedingt Deutsch vorherrschend ist, womit sie auf ein Studium weniger gut vorbereitet sind.

Schulerfolg als Voraussetzung für ein Studium

Weitere Ursachen sind vorgelagerte Selektionsprozesse wie z.B. die Tatsache, dass sie seltener auf direktem Weg über das Gymnasium die Hochschulreife erlangen. Der vorrangige Weg ist das Fachabitur, mit dem sie aber nur bestimmte Fächer studieren können. Allerdings ist ihre Studierneigung höher ausgeprägt als bei ihren deutschen Kommilitonen und sie werden darin auch von ihren Elternhäusern bestärkt, da ein Studium einen sozialen Aufstieg verspricht. Jedoch scheinen hier die Erwartungen und die Realität teilweise auseinanderzufallen. Studierende mit Migrationshintergrund empfinden den Studienaufwand häufiger als belastend und zu zeitintensiv, was einerseits damit zusammenhängen könnte, dass die Leistungsrückstände von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die im Schulwesen seit Jahren festgestellt werden, sich auch auf das Studium auswirken. Darauf deuten u.a. schlechtere Prüfungsleistungen in den Fachbereichen Medizin, Jura und Wirtschaftswissenschaften hin. Außerdem berichten Studierende mit Migrationshintergrund häufiger von Schwierigkeiten mit Recherchetechniken, Themeneingrenzung und anderen wissenschaftlichen Arbeitsmethoden; auf diese bereitet sie weder ihre Schulzeit noch ihr privates Umfeld hinreichend vor. Diesen Eindruck teilen wir als wissenschaftliche Beratungsagentur, wenngleich festzustellen ist, dass sich dies kaum nur am Herkunftshintergrund festmachen lässt, sondern vielmehr am Bildungsweg. Unsere Kunden, die in dieser Hinsicht den höchsten Beratungsbedarf haben, haben meist Fachhochschulen absolviert, bevor sie sich einem (berufsbegleitenden) Studium zuwandten.

Insgesamt zeigt sich bei dieser heterogenen Studiengruppe eine Tatsache, über die in der wissenschaftlichen Forschung zunehmend Konsens herrscht, nämlich dass sowohl dem Studienerfolg als auch dem Studienabbruch multikausale Faktoren zu Grunde liegen. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang sowohl für Studierende mit Migrationshintergrund als auch für internationale Studierende relevant. Allerdings sollte die deutsche Bildungs- und Hochschulpolitik vor allem die erste und ungleich größere Gruppe im Auge haben und hierfür passende Unterstützungsangebote entwickeln, da hier nicht zuletzt ein großes arbeitsmarktpolitisches Potenzial liegt.

Methodische Schwierigkeiten der Erhebungen

Erschwert werden solche an sich sinnvollen Untersuchungen durch die unterschiedlichen Datengrundlagen. Da im Rahmen der amtlichen Statistiken zur akademischen Bildung nur das Merkmal Staatsangehörigkeit erfasst wird, ist es nicht möglich, auch deutsche Personen mit Migrationshintergrund detailliert abzubilden. Dadurch ist die amtliche Statistik immer weniger in der Lage, die heterogene Wirklichkeit im deutschen System der beruflichen und akademischen Bildung in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen.

Quellen:

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009): Berufliche und akademische Ausbildung von Migranten in Deutschland, Berlin

Ebert, J. / Heublein, U. (2017): Ursachen
des Studienabbruchs bei Studierenden mit Migrationshintergrund, Stiftung Mercator, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Hannover

Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) (2017): Allein durch den Hochschuldschungel – Hürden zum Studienerfolg für internationale Studierende und Studierende mit Migrationshintergrund, Berlin