Wie erstellt man ein systematisches Literature Review?

Um die Recherche und Auswahl der in Frage kommenden Literatur für eine wissenschaftliche Ausarbeitung zielgerichtet durchzuführen, wird zunehmend ein sog. systematisches Literature Review (auch Literaturreview genannt) verlangt – dies nicht nur bei einem wissenschaftlichen Fachartikel, sondern auch bei einer Bachelorarbeit oder Masterarbeit (bei Doktorarbeiten in der Regel ohnehin).

Angesichts der heutigen Informationsflut und einer Vielzahl interdisziplinärer Publikationen ist ein systematischer Überblick über die relevante Literatur zu einem bestimmten Thema oder zu einer definierten Forschungsfrage eine wichtige Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben. Die Durchführung einer systematischen Literaturrecherche gilt daher als eine zentrale Kompetenz wissenschaftlichen Arbeitens.

Deshalb gewinnen systematische Recherchearbeiten wie Systematic Reviews, Scoping Reviews, Meta-Analysen etc. verstärkt an Bedeutung, da sie das Ziel haben, möglichst alle für eine Fragestellung relevanten Publikationen zu identifizieren, methodisch zu bewerten und zusammenzufassen. Damit soll der Forschungsstand zu einem bestimmten Thema erfasst werden. Gleichzeitig dienen sie dazu,  systematische Verzerrungen (Bias) zu erkennen.

Ein systematisches Literature Review basiert auf dem Prinzip einer „evidenz-basierten“ Forschung, denn es soll nicht nur die Ergebnisse einschlägiger wissenschaftlicher Forschung in transparenter Weise nachvollziehbar machen, sondern auch den Weg dorthin. Das heißt, auch die Literaturrecherche und -auswahl muss transparent und systematisch (d.h. reproduzierbar) dargelegt und dokumentiert werden.

Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten eines Reviews. Dies ist zum einen das erwähnte systematische Review (worauf hier ausführlich eingegangen werden soll), der sog. Scoping Review oder die einfache (offene) Literaturanalyse.

  1. Systematisches Review:
    • Definition: Ein systematisches Review ist eine hochfokussierte und methodisch strenge Überprüfung der Evidenz zu einer bestimmten Forschungsfrage. Es umfasst strikte Ein- und Ausschlusskriterien sowie eine detaillierte kritische Bewertung der Studien.
    • Zweck: Ziel ist es, qualitativ hochwertige Evidenz zu synthetisieren, um eine definitive Antwort anhand der wissenschaftlichen Literatur auf eine bestimmte Forschungsfrage zu liefern.
    • Einschränkung: Ein systematisches Review ist möglicherweise nicht die beste Wahl, wenn die Anzahl der Studien klein, divers oder inkonsistent ist. Oder auch wenn ein Thema gewählt wird, zu dem sich diese Methode nicht eignet.

2. Scoping Review:

  1. Definition: Ein Scoping Review ist im Prinzip ein systematisches Review ohne die kritische Bewertung der eingeschlossenen Studien. Ein Scoping Review wird verwendet, um die verfügbare Literatur zu einem bestimmten Thema zu kartieren, insbesondere wenn das Forschungsfeld breit oder unklar ist. Ziel ist es, Wissenslücken zu identifizieren.
  2. Zweck: ein Review konzentriert sich darauf, alle relevanten Studien zu sammeln und zu kategorisieren, um das Ausmaß, die Bandbreite und die Art der Forschungsaktivitäten in einem Bereich zu verstehen.
  3. Flexibilität: Im Gegensatz zu systematischen Reviews erfordert ein Scoping Review keine strengen Kriterien zur Studienqualität. Das macht es ideal für noch „unscharfe“ oder neue Themen, bei denen es eine breite Palette von Studientypen gibt.

3. Einfache Literaturstudie:

    • Definition: Diese Art von Literaturanalyse bietet eine Zusammenfassung der bestehenden Literatur, aber ohne formale Methodik. Sie ist narrativer, offener und weniger systematisch als die beiden anderen Ansätze.
    • Zweck: Eine einfache offene Literaturanalyse gibt einen breiten Überblick über ein Thema, folgt jedoch nicht den strengen Richtlinien und detaillierten Protokollen eines Scoping- oder systematischen Reviews.
    • Einschränkung: Sie ist nicht so umfassend oder strukturiert und wird möglicherweise nicht als methodisch streng genug für z.B. eine Masterarbeit oder Doktorarbeit angesehen.

Charakteristisch für die ersten beiden Reviewarten ist es daher, die Kriterien für die Auswahl der Quellen und auch das Vorgehen bei der Literatursuche und -Recherche offen und nachvollziehbar darzulegen und zu dokumentieren. Dem Begriff des Reviews eigen ist die Zielsetzung, dass die Literaturrecherche nicht mehr oder minder willkürlich erfolgt, sondern Subjektivität und Zufälligkeit durch verstärkten methodisch-formalen Aufwand reduziert werden.

Bereits die Fragestellung ist für das Review entscheidend

Für die Durchführung eines Literature Reviews entscheidend ist die Formulierung einer geeigneten Fragestellung. Diese Fragestellung muss letztlich aus der Literatur ableitbar sein, ansonsten hilft auch die beste Methodik nichts (zumindest bei einer deduktiven Vorgehensweise). Wie also geht man bei einem systematischen Literature Review vor? 

Vorgehensweise zur Erstellung eines systematisches Literature Review

Ein systematisches Literature Review kann in mehrere Phasen unterschieden werden, die wiederum je nach Literaturlage differieren können. Im Folgenden wird eines grundlegende Abfolge von Schritten (Trichter-Modell) zur Anfertigung eines systematischen Literature Reviews dargestellt:

I. Überblick über das Themengebiet erlangen

    • Welche Konzepte und Begriffe sind im Forschungsgebiet relevant?
    • Erste Recherche mittels Google Scholar und in wissenschaftlichen Datenbanken
    • Erste Strukturierung des Themas mittels MindMap o.ä.

II. Wissenschaftliche Fragestellung

    • Welche Fragestellung und ggfs. Hypothesen untersucht die Arbeit? Was sind die thematischen Abgrenzungen?
    • Erste Suchstrategie anhand von Suchbegriffen definieren unter Berücksichtigung von Boolschen Operatoren (und /oder)
    • Welche Ein- und Ausschlusskriterien werden festgelegt?
    • Welche Literatur- und Dokumententypen sollen berücksichtigt werden?

III. Recherchieren der Literaturquellen (detaillierte Beschreibung der Literatursuche)

    • Gezielte Recherche v.a. in wissenschaftlichen Fachdatenbanken. Hierfür kann die vorherige Kenntnis geeigneter Journals und deren Ranking hilfreich sein (s.u.)
    • Welche Suchbegriffe (und deren Synonyme, Oberbegriffe oder Unterbegriffe) werden ausgewählt und wie ist deren logische Verknüpfung?
    • Auswahl der relevanten, im Review zu behandelnden Arbeiten anhand dieser Kriterien. Die Kriterien sollten möglichst aus dem Theorieteil abgeleitet werden können

Eine Darstellung der Kriterien zur Auswahl der relevanten Literatur kann so aussehen (Beispiel):

EinschlussAusschluss
Veröffentlichungen von empirischen Studien ausschließlich in deutscher- oder englischer SpracheVeröffentlichungen in Studien, die in einer anderen Sprache als Deutsch oder Englisch verfasst wurden
Veröffentlicht ab dem Jahr 2018Veröffentlicht vor dem Jahr 2018
Artikel, die in renommierten peer-reviewed wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden (z.B. VHB Journal, Basket of Eight)Letters to editor (Leserbriefe), Blogbeiträge, Unternehmensbasierte Webseiten o.ä.
Berichte renommierter deutscher Institutionen (z.B. Statistisches Bundesamt, Wirtschaftsinstitute u.ä.)Kongress-/Konferenzberichte (nicht peer-reviewed)
Journalartikel, mind. peer-reviewed, hoher Impact-Faktor bzw. Qualitätsbewertung des JournalsArtikel aus Journals mit sehr niedrigem Impact-Faktor

In der Vorgehensweise kann sich am PRISMA-Modell orientieren, d.h. nach Durchführung der systematisierten Recherche findet die systematische Literaturanalyse statt. Grafisch kann sich das Ergebnis der Recherche in der Ausarbeitung dann so darstellen (Beispiel):

Im Rahmen dieser trichterförmigen Vorgehensweise werden die verbliebenen Titel dann im Volltext beurteilt sowie qualitativ und quantitativ zusammengefasst. Charakteristisch ist, dass sich im Laufe des Rechercheprozesses die Zahl der ausgewählten Studien trichterförmig verringert. In einer Bachelorarbeit oder Masterthesis bleiben letztlich 10-15 Studien übrig, die für die weitere Literaturanalyse zur Fragestellung dienen.

IV. Qualitative Bewertung und Diskussion der Ergebnisse (Synthese)

  • Diese ausgewählten Studien werden in einer sog. Extraktionstabelle nach bestimmten Kriterien zusammengefasst. Dazu zählen u.a.:
    • Rahmendaten wie Autoren/Autorinnen, Journal/Fachzeitschrift
    • Untersuchungsgegenstand (Stichprobe, Fallstudie etc.)
    • Gegenstand der Untersuchung (was untersucht wurde)
    • Methodik (Fallstudie, Meta-Analyse etc.), abhängige und unabhängige Variablen
    • Effekte / Ergebnisse / Aussagen in der Studie

Unter Annahme eines fiktiven Titels wie „Der Einfluss von Gamification auf die Motivation von Studierenden im Online-Lernen“ kann eine solche Extraktionstabelle beispielhaft so aussehen:

Die Extraktionstabelle ermöglicht einen Überblick über die ausgewählten Studien, deren Parameter und wichtigsten Ergebnisse. Sie wird in der Regel in den Anhang einer wissenschaftlichen Arbeit eingefügt.

Diskussion und Bewertung der Aussagekraft der eingeschlossenen Studien

Zuletzt wird eine Diskussion und Bewertung der Aussagekraft der ausgewählten Literaturergebnisse durchgeführt, im Rückgriff auf die eigene Fragestellung. Dies stellt einen Kernpunkt und eine wichtige Eigenleistung in der wissenschaftlichen Arbeit dar. Dabei können Fragen aufgegriffen werden wie z.B.: Was tragen die betrachteten Studien für die eigene Fragestellung bei? Was sind Limitationen der jeweiligen Studien? Welche Bereiche in Bezug auf die eigene Forschung wurden bisher unkritisch oder gar nicht behandelt?

Je nach Fachgebiet und Anforderung an den wissenschaftlichen Text kann auch eine standardisierte Qualitätsbeurteilung mittels CONSORT erforderlich sein. Das sog. CONSORT-Statement (CONSORT = Consolidated Standards of Reporting Trials) gibt vor, welche Informationen standardmäßig in Veröffentlichungen hinsichtlich der  Ergebnisse aus randomisierten kontrollierten Studien beinhaltet sein müssen.

Erfüllt und berücksichtigt ein Literature Review diese Kriterien, so ist damit die Anforderung einer systematischen Aufarbeitung des jeweiligen Forschungsgebietes erfüllt.

Kritik an systematischen Literature Reviews

Mitunter wird der starke Formalismus solcher Literature Reviews kritisiert. Diese Kritik scheint angesichts des hohen Aufwands teilweise berechtigt zu sein, lässt aber die genannten Vorteile dieser Vorgehensweise außer Acht. Es kommt dabei aber vor allem auf das jeweilige Thema und Fachgebiet an. So eignet sich beispielsweise eine Bachelorarbeit aus dem Marketingbereich in der Regel weniger für ein systematisches Literature Review als eine Masterarbeit im Fachbereich Pflegewissenschaften, Gesundheitswissenschaften oder auch Wirtschaftspsychologie. Generell gilt: die wissenschaftliche Methode sollte zum Thema passen.

Hilfe bei der Erstellung eines systematischen Literatur Reviews

Sollten Sie Unterstützung bei der Durchführung einer systematischen Literaturanalyse für Ihre BachelorarbeitMasterarbeitDoktorarbeit oder einer sonstigen wissenschaftlichen Publikation benötigen, wenden Sie sich gerne an uns.

Als erfahrene akademische Ghostwriter-Agentur beherrschen wir die anspruchsvolle Methodik von systematischen Literature Reviews und kennen die damit verbundenen Anforderungen.

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