Wie erstellt man einen Literatur Review?

Angesichts der heutigen Informationsflut und einer Vielzahl interdisziplinärer Publikationen ist ein systematischer Überblick über die relevante Literatur zu einem bestimmten Thema oder zu einer definierten Forschungsfrage eine wichtige Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben. Die Durchführung einer (systematischen) Literaturrecherche gilt daher als eine zentrale Kompetenz wissenschaftlichen Arbeitens.

Deshalb gewinnen systematische Recherchearbeiten wie Systematic Reviews, Meta-Analysen etc. verstärkt an Bedeutung, da sie das Ziel haben, möglichst alle für eine Fragestellung relevanten Publikationen zu identifizieren, methodisch zu bewerten und zusammenzufassen. Gleichzeitig dienen sie dazu,  systematische Verzerrungen (Bias) zu erkennen.

Um die Recherche und Auswahl der in Frage kommenden Literatur zielgerichtet durchzuführen (und die subjektive Willkür dabei einzuschränken), wird zunehmend ein sog. systematischer Literature Review (auch Literaturreview genannt) verlangt – dies nicht nur bei einem wissenschaftlichen Fachartikel, sondern auch bei einer Bachelorarbeit oder Masterarbeit (bei Doktorarbeiten in der Regel ohnehin).

Der systematische Literature Review  basiert auf dem Prinzip einer „evidenz-basierten“ Forschung und soll nicht nur die Ergebnisse einschlägiger wissenschaftlicher Forschung in transparenter Weise nachvollziehbar machen, sondern auch den Weg dorthin. Das heisst, auch die Literaturrecherche und -auswahl muss klar und systematisch (d.h. reproduzierbar) dargelegt und dokumentiert werden.

Charakteristisch für solche Reviews ist es daher, die Kriterien für die Auswahl der Quellen und auch das Vorgehen bei der Literatursuche und -Recherche offen darzulegen. Dem Begriff des systematischen Reviews eigen ist die Zielsetzung, dass die Literaturrecherche nicht mehr oder minder willkürlich erfolgt, sondern Subjektivität und Zufälligkeit durch verstärkten methodisch-formalen Aufwand reduziert werden.

Bereits die Fragestellung ist entscheidend

Für die Durchführung eines sinnvollen Literature Reviews entscheidend kann bereits die Formulierung einer geeigneten Fragestellung sein. Diese Fragestellung muss letztlich aus der Literatur ableitbar sein, ansonsten hilft auch die beste Methodik nichts (zumindest bei einer deduktiven Vorgehensweise). Anhand dieser Vorgehensweise bei der Formulierung der Fragestellung kann die Literaturrecherche strukturiert und die weitere Vorgehensweise bestimmt werden.

Vorgehensweise zur Erstellung eines systematischen Literatur Review

Ein Literatur Review kann in mehrere Phasen unterschieden werden, die wiederum je nach Literaturlage differieren können. Im Folgenden wird ein Vorschlag einer grundlegenden Abfolge von Schritten (Trichter-Modell) zur Anfertigung eines systematischen Literaturreviews erstellt:

I. Überblick über das Themengebiet erlangen

    • Welche Konzepte und Begriffe sind im Forschungsgebiet relevant?
    • Recherche mittels Google Scholar, wissenschaftliche Datenbanken
    • Erste Strukturierung des Themas mittels MindMap o.ä.

II. Wissenschaftliche Fragestellung

    • Welche Fragestellung und Hypothesen untersucht die Arbeit? Was sind die thematischen Abgrenzungen?
    • Suchstrategie definieren unter Berücksichtigung von Boolschen Operatoren
    • Welche Ein- und Ausschlusskriterien für die Recherche werden festgelegt?
    • Welche Literatur- und Dokumententypen sollen berücksichtigt werden?

III. Recherchieren der Literaturquellen (detaillierte Beschreibung der Literatursuche)

    • Gezielte Recherche v.a. in wissenschaftlichen Fachdatenbanken. Hierfür kann die vorherige Kenntnis geeigneter Journals und deren Ranking hilfreich sein (s.u.)
    • Welche Suchbegriffe (und deren Synonyme, Oberbegriffe oder Unterbegriffe) werden berücksichtigt und wie ist deren logische Verknüpfung?
    • Auswahl der relevanten, im Review zu behandelnden Arbeiten anhand dieser Kriterien. Die Kriterien sollten möglichst aus dem Theorieteil abgeleitet werden können.

Eine Darstellung der Kriterien zur Auswahl der relevanten Literatur kann so aussehen (Beispiel):

EinschlussAusschluss
Veröffentlichungen ausschließlich in deutscher- oder englischer SpracheVeröffentlichungen in Studien, die in einer anderen Sprache als Deutsch oder Englisch verfasst wurden
Veröffentlicht ab dem Jahr 2015Veröffentlicht vor dem Jahr 2015
Artikel, die in renommierten peer-reviewed wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden (z.B. VHB Journal, Basket of Eight)Letters to editor (Leserbriefe), Blogbeiträge, Unternehmensbasierte Webseiten o.ä.
Berichte renommierter deutscher Institutionen (z.B. Statistisches Bundesamt, Wirtschaftsinstitute u.ä.)Kongress-/Konferenzberichte (nicht peer-reviewed)
Konferenzpaper etc., mind. peer-reviewed Artikel, die in Zeitschriften mit sehr niedrigem Impact-Factor publiziert wurden

In der Vorgehensweise kann sich am PRISMA-Modell orientiert werden, d.h. nach Durchführung der systematisierten Recherche findet die systematische Literaturanalyse statt. Grafisch kann sich das Ergebnis der Recherche in der Ausarbeitung dann so darstellen (Beispiel):

Im Rahmen dieser trichterförmigen Vorgehensweise werden die verbliebenen Titel dann im Volltext beurteilt, sowie qualitativ und quantitativ zusammengefasst.

IV. Beschreibung der Literaturquellen (Analyse)(Inhaltliche Auswertung, extrahieren relevanter Information und Daten):

  • Welche Variablen sollen bei der Auswertung der Quellen zu Grunde gelegt werden?
  • Welche Auswertungsmethoden (z.B. Inhaltsanalyse) werden eingesetzt? Wie werden die Ergebnisse verwertet?
  • Exzerpte sind sinnvoll und können mit Hilfe von Literaturverwaltungs-Programmen (wie z.B. Citavi) extrahiert bzw. mit eigenen Kommentaren versehen werden.
  • Bildung von Auswertungskategorien, um die inhaltliche Strukturierung des Reviews zu unterstützen bzw. vorzubereiten.
  • Quantitativ werden dabei die zahlenbasierten Besonderheiten der eingeschlossenen Studien tabellarisch erfasst und dargestellt.

V. Qualitative Bewertung und Diskussion der Ergebnisse (Synthese)

  • Vergleich der einzelnen Methoden, die die Literaturquellen verwenden.
  • Gegenüberstellung der Ergebnisse bzw. Studien anhand dieser Auswertungskategorien, wie z.B.
    • Untersuchungsgegenstand (Stichprobe, Fallstudie etc.)
    • Gegenstand der Untersuchung (was untersucht wurde)
    • Abhängige und unabhängige Variablen
    • Effekte / Ergebnisse / Aussagen in dem Artikel bzw. Studie
  • Diskussion und Bewertung der Aussagekraft der recherchierten Literaturergebnisse -> Was ist zur Fragestellung in der Literatur bekannt? Welche Variablen werden untersucht? Was ist die Untersuchungsmethodik (Fallstudie, Meta-Analyse etc.)? Wo sind Limitationen der jeweiligen Studien? Welche Bereiche der Fragestellung wurden bisher unkritisch oder gar nicht behandelt?
  • Der Arbeitsschritt der qualitativen Zusammenfassung hat zum Ziel, die wesentlichen Aspekte auch textlich zu bewerten und vergleichend niederzulegen. Ziel beider Auswertungsschritte ist es, zwecks Beantwortung der Forschungsfrage die wesentlichen Erkenntnisse der eingeschlossenen Studien wiederzugeben und zu bewerten und somit als systematisches Review den Forschungsstand zu erweitern.
  • Je nach Fachgebiet und Anforderung an den wissenschaftlichen Text kann auch eine standardisierte Qualitätsbeurteilung mittels CONSORT erforderlich sein. Das sog. CONSORT-Statement (CONSORT = Consolidated Standards of Reporting Trials) gibt vor, welche Informationen standardmäßig in Veröffentlichungen hinsichtlich der  Ergebnisse aus randomisierten kontrollierten Studien beinhaltet sein müssen.

Erfüllt und berücksichtigt ein Literature Review diese Kriterien, so ist damit die Anforderung einer systematischen Aufarbeitung des jeweiligen Forschungsgebietes erfüllt.

Kritik an systematischen Literature Reviews

Mitunter wird der starke Formalismus solcher Literature Reviews kritisiert. Diese Kritik scheint angesichts des hohen Aufwands teilweise berechtigt zu sein, lässt aber die genannten Vorteile dieser Vorgehensweise außer Acht. Es kommt dabei aber vor allem auf das jeweilige Thema und Fachgebiet an. So eignet sich beispielsweise eine Bachelorarbeit aus dem Marketingbereich in der Regel weniger für einen systematischen Literaturreview als eine Masterarbeit im Fachbereich Pflegewissenschaften, Gesundheitswissenschaften oder auch Wirtschaftspsychologie. Generell gilt: die wissenschaftliche Methode sollte zum Thema passen.

Hilfe bei der Erstellung eines systematischen Literatur Reviews

Sollten Sie Unterstützung beim Schreiben Ihres Literature Reviews für Ihre Bachelorarbeit, Masterarbeit, Doktorarbeit oder einer sonstigen wissenschaftlichen Publikation benötigen, wenden Sie sich gerne an uns. Mit unserer langjährigen Erfahrung kennen wir die methodischen Anforderungen, die an systematische Reviews gestellt werden.

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