Wann arbeite ich mit Hypothesen in einer wissenschaftlichen Arbeit?

Hypothesen spielen in vielen wissenschaftlichen Arbeiten eine zentrale Rolle. Auch in einer Bachelorarbeit, Masterarbeit und Dissertation ist eine entsprechende Formulierung geeigneter Hypothesen häufig der Fall. Allerdings wird mitunter die Meinung vertreten, dass sie ausschließlich bei empirischen Arbeiten bzw. quantitativen Forschungsdesigns sinnvoll sind. Unter bestimmten Umständen ist es aber durchaus möglich, auch bei einer literaturbasierten Arbeit Hypothesen aufzustellen und zu überprüfen. Wir zeigen in diesem Beitrag, wie Hypothesen sinnvoll eingesetzt werden können und wann besser auf sie verzichtet werden sollte.

Definition einer Hypothese

Eine Hypothese ist eine vorläufige Annahme oder Vermutung, die in der Regel aufgrund von Beobachtungen oder vorhandenem Wissen aufgestellt wird. Sie wird als Grundlage für die Planung und Umsetzung wissenschaftlicher Untersuchungen verwendet. So lassen sich Fragen beantworten und Theorien überprüfen.

Funktion und Zweck von Hypothesen

Hypothesen erfüllen in wissenschaftlichen Arbeiten mehrere wichtige Funktionen. Sie dienen nicht nur dazu, Forschungsfragen zu beantworten, sondern helfen auch dabei, den Umfang der Arbeit einzuschränken und beispielsweise eine Bachelorarbeit oder Masterarbeit sinnvoll zu strukturieren.

Kriterien für eine gelungene Hypothese

Eine gute Hypothese zeichnet sich durch mehrere Merkmale aus: Sie muss überprüfbar sein, was sowohl empirisch als auch anhand vorhandener Literatur erfolgen kann. Außerdem muss eine Hypothese falsifizierbar sein (nach Karl Popper können Hypothesen niemals verifiziert werden). Das bedeutet, dass zu Beginn der Arbeit klare Bedingungen oder Ergebnisse formuliert werden müssen, bei deren Eintreten die Hypothese als widerlegt gilt. Hinsichtlich ihrer Formulierung enthalten sie zwei Variablen, von denen eine die abhängige und die andere die unabhängige Variable darstellt.

Sprachlich muss eine Hypothese also bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die sich so zusammenfassen lassen:

  • Formulierung einer Bedingung: Wenn X, dann Y
  • Formulierung eines Vergleichs: Je X-er, desto Y-er
  • Formulierung einer Folge: X führt zu Y

Eine klare Formulierung ist also unabdingbar, um die Hypothese auch entsprechend überprüfen zu können. Hypothesen sollten i.d.R. nur dann formuliert werden, wenn sie überprüfbar und messbar sind. Außerdem sollte auch argumentiert werden können, wie die Hypothese zustande gekommen ist. In dieser Hinsicht sollte eine Hypothese die aktuelle Forschungslage berücksichtigen.

Die folgende Auflistung zeigt Beispiele für Hypothesen aus verschiedenen Disziplinen:

  • Naturwissenschaften: „Eine erhöhte Zufuhr von Vitamin C führt zu einer Verringerung der Krankheitssymptome.“
  • Sozialwissenschaften: „Der Einsatz von positiver Verstärkung führt zu einer besseren Leistung bei Schülern.“
  • Literatur- oder Musikwissenschaften: „Die Wiederholung bestimmter Motive in einem Kunstwerk deutet auf eine spezifische Botschaft des Künstlers hin.“

Beim letzten Beispiel der Auflistung zeigt sich direkt ein Problem: Während sich die ersten beiden Hypothesen durch die Erhebung von Daten klar  falsifizieren lassen, werden wir bei vielen Werken aus dem Bereich der Kunst wahrscheinlich nie ganz genau wissen, was uns „der Künstler sagen wollte“. Trotzdem ist es auch hier möglich, Argumente und Belege zu finden, welche die Hypothese stützen oder durch die Analyse anderer Aufzeichnungen herauszuarbeiten, dass sie wahrscheinlich unwahr ist.

Probleme bei der literaturbasierten Arbeit mit Hypothesen

Bei der Verwendung von Hypothesen in literaturbasierten Abschlussarbeiten können Restriktionen auftreten, die bei empirischen Arbeiten in dieser Form nicht vorhanden sind:

  • Die Daten werden nicht selber erhoben, sondern sie werden aus der bereits vorhandenen Literatur zusammengetragen. Einige Hypothesen können daher aufgrund von unzureichenden oder widersprüchlichen Daten nicht ausreichend überprüft werden.
  • Im Gegensatz zu empirischen Arbeiten haben Forschende bei literaturbasierten Arbeiten keine direkte Kontrolle über die Art und Weise, wie die Daten erhoben werden.
  • Die Fachliteratur beinhaltet Interpretationen und Zusammenfassungen bereits vorhandener Studien und Erkenntnisse. Dies kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen und ist von der reinen Datenerhebung nicht immer klar zu trennen.
Fazit: Hypothesen sind bei empirischen Arbeiten von wesentlich größerer Bedeutung

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Hypothesen bei vielen empirischen Arbeiten eine zentrale Rolle spielen. Sie bilden sozusagen den Forschungsrahmen. Auch für literaturbasierte Abschlussarbeiten lassen sie sich durchaus nutzen. Hier dienen sie, beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, aber eher zur Strukturierung der Analyse von vorhandenen Studien und sind nicht zwingend erforderlich. Bevor also z.B. zu allgemeine Hypothesen formuliert werden, deren Zustandekommen ebenso unklar ist wie deren Überprüfung, sollte bei literaturbasierten wissenschaftlichen Texten eher auf Hypothesen verzichtet werden.