Wenn Wohnen im Studium zum Luxusartikel wird

Häufig ist in letzter Zeit davon die Rede, wir lebten in einer Zeit gesellschaftlichen Stillstandes. Ohne Zweifel liefert die studentische Wirklichkeit dafür besonders anschauliche Beispiele. Wenig geändert hat sich in den letzten Jahren nicht nur an der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen, die bei den Studenten in Form von übervollen Seminaren, veralteten Bibliotheken, unzureichender Betreuung durch Lehrende oder Termin- und Arbeitsstress durch die „Bolognisierung“ des Studiums ankommt. Nein, die Stagnation fängt schon beim studentischen Wohnen an.

Wohnungspreise steigen unvermindert

Alle Jahre wieder spüren es die Studierenden, noch bevor die Ergebnisse der jeweils neuesten Studie in der Zeitung stehen: Wohnen ist für viele von ihnen zu einem Luxusartikel geworden. Jüngster Beleg dafür ist der Anfang Oktober 2018 vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Deutschen Real Estate Funds veröffentlichte Studentenwohnpreisindex, dem zufolge die Mieten für Studentenwohnungen seit Anfang des Jahrzehnts besonders stark gestiegen sind. Teuerste Stadt ist einmal mehr München, wo im 2. Halbjahr 2016 eine durchschnittliche Studentenwohnung rund 17 € pro Quadratmeter kostete, 43 % mehr als noch 2010. In Stuttgart und Frankfurt waren es 13 €, in Hamburg, Köln und Heidelberg 10-11 und am günstigsten kamen Studenten demnach in Leipzig oder Bochum unter (6,5 €). In der Hauptstadt Berlin lag der Quadratmeterpreis zwar „nur“ bei 10 €, doch war der Anstieg dort in den letzten Jahren besonders steil.

Bafög-Bezieher besonders betroffen

Insbesondere BaföG-Bezieher stehen dadurch vor einem Problem. Wird doch der Bafög- Zuschlag zu den Wohnkosten seit 2010 ausschließlich in Form einer Wohnpauschale gewährt, für die die konkrete Miethöhe keine Rolle mehr spielt. Wer nicht mehr bei den Eltern wohnt und einen eigenen Haushalt unterhält, bekommt gerade einmal 250 € erstattet, obwohl er auf dem Wohnungsmarkt nicht selten das Doppelte zahlen muss, um ein akzeptables Dach über dem Kopf zu haben. Während Hartz IV-Empfänger in der Regel die tatsächliche Miete einschließlich der Heizkosten finanziert bekommen, soll bei den Studierenden alles durch die Wohnungspauschale abgedeckt und diese damit existenzsichernd sein. Das darf zumindest für die mittel- bis hochpreisigen Studentenstädte getrost bezweifelt werden, da sich Studenten einer Berechnung des Moses Mendelssohn-Institutes zufolge von ihrem Bafög nur in 5 von 93 untersuchten Städten ein Zimmer zum Durchschnittspreis leisten können.

Der oft zu hörende Hinweis, doch in ein Studentenwohnheim zu ziehen, geht an der Sache vorbei, denn Wohnheimplätze sind knapp und die Wartezeiten betragen bis zu zwei Jahren. Selbst WG-Zimmer kosten im Bundesdurchschnitt 350 € pro Monat. Bereits 2017 wiesen die Studentenwerke darauf hin, dass besonders Studenten mit geringen Einkommen mittlerweile fast die Hälfte ihres Geldes für Mietkosten ausgeben müssen. Wer sich nicht verschulden oder den Eltern weiter auf der Tasche liegen will – vorausgesetzt diese können es sich überhaupt leisten und man findet einen Studienplatz in Wohnortnähe – spart entweder am Essen oder geht arbeiten, wodurch er zwangsläufig sein Studium in die Länge zieht und damit länger die überhöhten Mieten zahlt. Ein Teufelskreis.

Erhöhung der Wohnpauschale scheitert im Bundesrat

Der angespannte Wohnungsmarkt für Studenten hatte die Landesregierungen von Berlin, Brandenburg und Bremen im Frühjahr 2018 bewogen, einen Gesetzentwurf mit dem Ziel einer deutlichen Erhöhung der Bafög-Wohnpauschale in den Bundesrat einzubringen. Die 2016 zuletzt angepassten Bafög-Sätze reichten ihrer Antragsbegründung zufolge nicht aus, um die Kosten zu decken, zumal nicht bei ihren Eltern wohnende Studenten keine zusätzlichen Leistungen nach dem SGB II beantragen könnten. Der Bafög-Satz müsse daher kostendeckend sein. Demzufolge sollte die Wohnpauschale auf 300 Euro und bei nachweislich darüber liegenden Mieten nochmals um 100 € erhöht werden, zuzüglich Heizkosten. Insgesamt hätten Bafög-Bezieher auf 450,- € kommen können.

Doch lehnte der Bundesrat am 27. April 2018 die Einbringung des Gesetzesantrags von Berlin, Brandenburg und Bremen beim Bundestag ab. Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz wurden die Interessen der Studierenden wieder einmal auf dem Altar des Parteien- und Kompetenzgerangels geopfert.

Bezahlbarer Wohnraum – Mangel an Alternativen oder an Handlungswillen?

Doch eigentlicher Verursacher des Problems sind natürlich nicht die geringen Bafög-Sätze, sondern der durch den Mangel an geeignetem Wohnraum verursachte ungehemmte Mietpreisanstieg. Bereits 2017 hatte deshalb das Deutschen Studentenwerk aus einem Vergleich der Lebenshaltungskosten der Studierenden und der Höhe der Bafög-Sätze die Schlussfolgerung gezogen: „Bund und Länder müssen dringend in Ausbau und Sanierung von Wohnheimen investieren, um die Wohnkosten für Studierende zu senken bzw. auf bezahlbarem Niveau zu halten.“

Das Thema studentisches Wohnen ist u.a. durch die genannten Studien in aller Munde, tatsächlich geschehen ist in den letzten Jahren jedoch, ähnlich wie beim allgemeinen Wohnungsmarkt, wenig. Kommunen und findige Privatinvestoren versuchen dem Mangel vor Ort mit Hotelschiffen, Containern oder dem Umbau ehemaliger Kasernen abzuhelfen. Doch belegen all diese Maßnahmen nur einmal mehr das Versagen der Politik. Sie hat es auf nationaler Ebene seit Jahren versäumt, durch intensiveren Neubau insbesondere von 2-3-Zimmer-Wohnungen ausreichenden Wohnraum u.a. für Studierende zu schaffen. Gute Initiativen zugunsten der Studenten geraten dabei nicht selten in die Mühlen des üblichen Gerangels zwischen Bund und Ländern. So sind etwa nach Auffassung des Bundes die Länder allein für den Bau von Studentenwohnheimen zuständig, was diese natürlich nicht einzusehen vermögen. Koordinierter Wille zur raschen Veränderung sieht anders aus.

Zunehmend zementierte Ungleichheit

Unter dem Strich verschlechtert die Wohnmisere die Studien- und Bildungschancen vor allem für Kinder von geringer Verdienenden – mit bislang ungebremster Tendenz. Bafög ist nicht nur wegen der unzureichenden Bedarfssätze längst kein Schutz mehr gegen diese zunehmende Spaltung der jungen Generation. Denn die Zahl der Bezieher sinkt aufgrund vergleichsweise niedriger Einkommensgrenzen oder anderer Ausschlusskriterien seit Jahren. 2016 bezogen gerade noch 18 % aller Studierenden eine Förderung (von im Durchschnitt weniger als 500 Euro), so wenige wie seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr. 2017 sank die Zahl der Leistungsbezieher um weitere 5 Prozent und lag damit bei 782.000. Seit 2013 sind damit fast 110.000 Studierende aus der Förderung gefallen. Ihnen und vielen anderen bleiben zur Finanzierung von Studium und Wohnung nur noch der Nebenjob, das Portemonnaie ihrer Eltern oder die Verschuldung. Gleiche Bildungschancen für alle – die Wirklichkeit sieht anders aus. Es wäre schön, wenn in dieser Hinsicht etwas in Bewegung käme.