BAföG – Bilden und Fördern in Zeiten der Krise

Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sollen sicherstellen, dass junge Menschen ein Studium unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern aufnehmen können.

So gut dieser Ansatz in der Theorie ist – so sehr weist die Praxis Mängel bei der Umsetzung auf. Seit das Thema BAföG zuletzt in diesem Blog behandelt wurde (2017), ist einiges passiert. Per 1. August 2019 wurden verschiedene Änderungen beschlossen. Die Bundesregierung erklärt, dadurch erweitere sich der Kreis der potenziellen BAföG-Bezieherinnen und -bezieher.

Die Einkommensfreibeträge werden in drei Stufen erhöht: um 7% zum Herbst 2019, um weitere 3% zum Herbst 2020 und zum Herbst 2021 nochmals um 6%. Die Bundesregierung betont zwar die Erhöhung der Freibeträge, nennt aber keine Gründe, warum diese in drei Schritten erfolgt und nicht in einem Zug. Mit diesen Maßnahmen sollen Verbesserungen durchgesetzt werden, dennoch ist die Zahl der Bezieherinnen und Bezieher von BAföG-Leistungen im Jahr 2020 auf 489.313 gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von 6,4% im Vergleich zum Vorjahr.

Wie erklärt sich diese Entwicklung?

Die Gründe liegen darin, dass über Jahre hinweg die Einkommensfreibeträge nicht angepasst wurden. Durch gestiegene Löhne der Eltern fallen viele der potenziellen Empfängerinnen und Empfänger aus dem Kreis der Förderberechtigten heraus, auch wenn ihr finanzieller Bedarf zur Deckung der Lebenshaltungskosten gleich geblieben ist. Durch die Covid-19-Pandemie kommen weitere Änderungen hinzu. Die Bundesregierung erklärt, dass die Studierenden sowie Schülerinnen und Schüler, die Leistungen nach BAföG beziehen, durch Corona keine Nachteile erleiden sollen. Bereits bewilligte Leistungen werden ausgezahlt, auch wenn sich der Studienbeginn durch die neue Lage verzögert, zum Beispiel weil der Semesterbeginn verschoben wird.

Für viele Studierende ändert sich die finanzielle Situation durch Corona dramatisch. Durch die Umsatzeinbußen im Zusammenhang mit der Krise können sich viele Unternehmen keine studentischen Hilfskräfte mehr leisten und streichen entsprechende Stellen. Durch den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 sind vermutlich Hunderttausende studentischer Jobs weggefallen. Dadurch sind die Betroffenen umso dringender auf BAföG-Leistungen angewiesen. Das Deutsche Studentenwerk hat bereits im Frühjahr verschiedene Sofortmaßnahmen gefordert, um betroffenen Studierenden  zu helfen:

  • einen Studienfonds zur Soforthilfe
  • die Verlängerung der Regelstudienzeit sowie der Förderungshöchstdauer
  • Bürgschaften der Länder für studentische Darlehen
  • ein Aussetzen des Finanzierungsnachweises für ausländische Studierende sowie
  • finanzielle Hilfen für die Studentenwerke seitens der Länder und Kommunen.

Ob Politik, Gewerkschaften oder Verbände – viele sind der Ansicht, dass die Corona-Krise die bestehende soziale Auslese in Bezug auf das Studium noch weiter verschärfen wird. Die vom Bund beschlossenen Corona-Überbrückungshilfen wurden an etwa 120.000 Bedürftige ausgezahlt – jedoch nur bis zum 1. Oktober 2020. Als Begründung dient Bundesbildungsministerin Karliczek der Hinweis auf die entspannte Wirtschaftslage und das damit einhergehende Beschäftigungsangebot für Studierende. Der erneute Lockdown war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch nicht abzusehen.

Die vorübergehenden Maßnahmen können in der aktuellen Situation eine Hilfe für die Betroffenen sein, ändern aber nichts an der grundsätzlichen Schieflage. Diese besteht darin, dass die in der Gesellschaft bestehenden sozialen Ungleichheiten durch Maßnahmen wie BAföG nur geringfügig aufgefangen werden können, da der Zugang zum Studium für Akademikerkinder immer noch leichter fällt als für jene aus der Arbeiterschicht. Hier ist frühzeitige Aufklärung und Beratung gefragt, um bereits in der Schule auf die möglichen Ausbildungs- und Fördermöglichkeiten hinzuweisen.

Die Aussagen der Bundesregierung stehen somit im Widerspruch zu den empirischen Gegebenheiten. Die Gesetzesänderung soll den Kreis der Geförderten erweitern – die Statistik belegt jedoch das Gegenteil. Insgesamt ist die Anzahl der Studierenden in den vergangenen Jahren stetig angestiegen – von 2.217.604 im Jahr 2010/11 auf 2.891.049 im Jahr 2019/20. Eine realistische Anpassung der Freibeträge könnte dazu beitragen, dass Bedürftige auch wirklich in den Genuß der ihnen zugedachten Förderungsmittel kommen können.

Beratung und Unterstützung

Die Betroffenen sollten sich genau erkundigen, welche Fördermöglichkeiten sie in Anspruch nehmen können. Jede Hochschule oder Universität verfügt in der Regel über Beratungsstellen. Diese sind entweder dem Asta (Allgemeiner Studierendenausschuss) oder den Studentenwerken angegliedert und bieten kostenlose Beratung und Hilfestellung. Die angebotene Unterstützung bezieht sich bei vielen Beratungsstellen nicht nur auf das BAföG, sondern auch auf Fragen des Mietrechts (z. B. bei der Beratungsstelle der Uni Frankfurt/Main) oder allgemeine Fragen zur Finanzierung des Studiums (z. B. Beratungsstelle der Uni Marburg). Das Deutsche Studentenwerk bietet auf seiner Internetseite umfassende Informationen rund um das Thema BAföG, wobei besonders die aktuellen Änderungen erläutert werden.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass auch nach den BAföG-Änderungen des Jahres 2019 Verbesserungsbedarf in Sachen BAföG besteht. Nur dann kann das eigentliche Ziel des Gesetzes erreicht werden: Jungen Menschen eine qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen – unabhängig von ihrer Herkunft und dem Einkommen der Eltern.

Durch Corona scheint dieses Ziel weiter in die Ferne gerückt zu sein. Besonders die einkommensschwächeren Studenten, die neben BaföG auf ihre Nebenjobs angewiesen sind, sind von dieser Entwicklung besonders betroffen. Der erneute „Lockdown“ könnte somit indirekt dazu führen, dass nicht nur Menschen in ihren Wohnungen „ein“-, sondern auch Studierende von ihren Teilhabemöglichkeiten „ausgeschlossen“ werden.