Qualitative Auswertung von Interviews

Häufig wird in einer Abschlussarbeit wie der Bachelorarbeit oder Masterarbeit eine empirische Methodik verlangt. Dabei besteht meist die Auswahl zwischen einem quantitativen oder qualitativen empirischen Forschungsdesign.

Mittels Empirie soll ein tieferes Wissen über bestimmte Zusammenhänge erlangt werden, eingegrenzt durch die jeweilige Forschungsfrage bzw. entwickelte Hypothesen.

Während ein quantitatives Forschungsdesign mit statistischen Auswertungsverfahren verbunden ist, geht es bei einem qualitativen Verfahren häufig darum, Material zu analysieren, das aus irgendeiner Art von Kommunikation stammt. Häufig wird sich dabei an den Verfahren von Mayring oder Kuckartz orientiert.

Im Rahmen von akademischen Abschlussarbeiten aber auch Dissertationen  wird dieses Material oftmals mittels Experteninterviews gesammelt. Als Experte gilt gemeinhin derjenige, der in einem eigenen Handlungsfeld Auskunft über Wissen im organisatorischen oder institutionellen Zusammenhang geben kann.

Experteninterviews werden meist anhand von teilstrukturierten Interviews geführt und orientieren sich an den Forschungsfragen, die der Abschlussarbeit zu Grunde liegen. In der Regel wird bei einer Bachelorarbeit oder Masterarbeit von 6-10 Interviews ausgegangen, die notwendig sind, um eine gewisse Aussagekraft zu erhalten. Bei einer Doktorarbeit sind es manchmal bis zu 30 Interviews, die mittels einer qualitativen Methodik ausgewertet werden sollen. 

Dies stellt einen erheblichen Aufwand dar. Es müssen die passenden Experten (und Expertinnen) ausgewählt und zur Teilnahme überzeugt, die Interviewtermine organisiert werden etc.

Der Fragebogen muss entwickelt werden, auf Grundlage der erarbeiteten theoretischen Grundlagen, sonst passen letztlich Theorie und Empirie nicht zusammen. Die Interviews müssen aufgezeichnet und nach bestimmten Regeln, je nach gewähltem Verfahren, transkribiert werden.

Anschließend steht die systematische Auswertung an, die wiederum Grundlage ist für die weitere Verschriftlichung der eigentlichen Interviewergebnisse.

Wie wird eine qualitative Analyse von Experteninterviews durchgeführt?

Hierbei müssen die gesammelten Daten bzw. transkribierten Interviews anhand bestimmter Kodierregeln zunächst in Kategorien zugeordnet werden. Auf diese Weise können Verbindungen zwischen den einzelnen Antworten hergestellt werden. Ziel des Codierens ist die Systematisierung der aus den Interviews gewonnenen Daten, um diese so zur Beantwortung der Forschungsfrage zu nutzen.

Dabei können nach Mayring – je nach Zielstellung der Analyse – folgende Techniken angewendet werden: 

  • Zusammenfassung des Materials: Reduzieren des Materials mithilfe von Abstraktion auf ein überschaubares Maß.
  • Explikation (Kontextanalyse): War das Ziel der vorhergehenden Zusammenfassung die Reduktion des Materials, geht es bei der Explikation genau in die umgekehrte Richtung. Einzelne interpretationsbedürftige Passagen des Materials werden mit Hilfe zusätzlichen Materials hinterfragt und erklärt. Die Qualität der Explikation hängt natürlich von diesem zusätzlichen Material (und dessen Zulässigkeit) ab.
  • Strukturierung: Dies ist eine zentrale inhaltsanalytische Technik. Hier werden bestimmte Aspekte aus dem Material auf Grundlage zuvor festgelegter Kriterien herausgefiltert. Die erarbeitete Struktur wird in Form eines Kategoriensystems auf das Material „gelegt“ und alle Textbestandteile, die durch die Kategorien angesprochen werden, werden aus dem Material systematisch extrahiert.

Der Kodierleitfaden besteht aus Kategorien, Beispielen und den Kodierregeln.

Wie erstellt man einen Kodierleitfaden?

1) Kategorien festlegen

Sie dienen dazu, die in den Interviews zusammengetragenen Aussagen zu abstrahieren und klassifizieren. Die kategoriengeleitete Auswertung ist Voraussetzung für die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse der Textanalyse. Bei leitfadengestützten Experteninterviews orientiert sich die Kategorienbildung oftmals an der Fragegruppierung des Interviewleitfadens, was auch die Auswertung erleichtert.

Es gilt grundsätzlich zu unterscheiden zwischen induktiver und deduktiver Kategorienbildung. 

Eine induktive Kategorienbildung bedeutet nichts anderes, als dass die Kategorien spontan aus dem Datenmaterial heraus gebildet werden. Dies dient der Theoriebildung und einer explorativen Vorgehensweise. Das heisst, die Kategorien ergeben sich aus den transkribierten Texten. Die Kategorienentwicklung orientiert sich dabei an einem systematischen Reduktionsprozess. Dabei gilt:

  • Zunächst lesen, dann Textsequenzen als Kategorie festlegen
  • Beim weiteren Lesen in bestehende oder neue Kategorie einordnen 
  • Spätestens bei 50% des durchgelesenen Materials, Kategorien bearbeiten bzw. ggfs. verfeinern.

Eine deduktive Bildung von Kategorien heisst, dass die Kategorien aus der Literatur abgeleitet werden (deshalb ist die erwähnte theoretische Vorarbeit so wichtig). Zu beachten ist dabei:

  • die Kategorien sind vorab definiert, d.h. sie werden vorher dem Text zugeordnet. 
  • Lesen und die Kategorien nach Regeln einordnen, Kodierleitfaden erstellen und ggfs. anpassen.

Auch eine Kombination von induktiv und deduktiv ist möglich. Dabei werden einzelne Kategorien vor dem Kodieren festgelegt und dann durch weitere Kategorien ergänzt, die sich aus dem Text ergeben. Vorteil ist hier, dass das Kategoriensystem während des gesamten Prozesses überarbeitet und weiterentwickelt werden kann. Dies kann zum Beispiel notwendig sein, wenn sich innerhalb der Experteninterviews neue Aspekte ergeben, die zuvor noch nicht betrachtet wurden und dadurch in keine Kategorie eingeordnet werden konnten.

Die Anzahl der Kategorien, die gebildet werden, hängt vom eigenem Ermessen ab. Die Anzahl sollte jedenfalls „bearbeitbar“ bleiben.

2) Beispiele bilden

Sind die Kategorien definiert, werden diese mittels Beispielen aus den Texten weiter konkretisiert. Damit sollen die  Zuordnung von Textpassagen zu den Kategorien transparent und nachvollziehbar sein. Dies kann beispielsweise so aussehen:

Quelle: in Anlehnung an Mayring (2015), S. 111f.

3) Codierregeln formulieren

Kategorien sollten zwar so festgelegt werden, dass sie sich klar und eindeutig voneinander abgrenzen lassen, sodass eine Zuordnung von Textstellen leicht möglich ist. Dennoch kann es mitunter zu Unklarheiten in Bezug auf die passende Kategorie und zu Überschneidungen mehrerer Kategorien kommen. Für diese Fälle sind Kodierregeln zu formulieren, mit deren Hilfe eine Abgrenzung von Kategorien untereinander und damit eine Zuordnung von Textstellen in die richtige Kategorie vereinfacht werden sollen. In einer Kodierregel wird daher festgehalten, unter welchen Bedingungen eine Textstelle einer bestimmten Kategorie zugeordnet wird. Dies können inhaltliche, aber auch formale Aspekte sein. Ist eine Kategorie bereits so trennscharf definiert, dass eine Abgrenzung zu anderen Kategorien und eine Zuordnung von Textstellen eindeutig möglich ist, muss keine Kodierregel für diese Kategorie erstellt werden.

Zusammengefasst:

Die qualitative Analyse von Experteninterviews ist heute ein gängiges Verfahren, um eine empirische Erhebung im Rahmen einer Bachelorarbeit, Masterarbeit oder auch Dissertation durchzuführen. Teilweise kommt diese auch in Kombination mit einer quantitativen Empirie zum Einsatz, was als sog. Mixed-Method-Ansatz bezeichnet wird.

Für den Forschenden ist die Definition der Kategorien ein zentraler Schritt der Inhaltsanalyse, dies ist sozusagen die „Kunst“.

Gleichzeitig beherrschen viele Studierende nur sehr unzureichend die Methoden der qualitativen Sozialforschung. Oftmals werden sie auch gar nicht gelehrt, insbesondere nicht in Fachbereichen wie BWL. Dennoch wird von ihnen häufig erwartet, dass sie in ihren Abschlussarbeiten qualitative Experteninterviews durchführen und auswerten. 

Unterstützung der qualitativen Auswertung durch computergestützte Programme (QDA-Software). Zu den bekanntesten Softwarelösungen, die vor allem bei kategorienorientierten Verfahren eingesetzt werden, zählen „ATLAS.ti“ „MAXQDA“ und „NVivo“. Die Nutzung solcher Software führt gerade bei größeren Datenmengen zu einer erleichterten Strukturierung des Auswertungsprozesses. Die eigentliche interpretative Denkarbeit kann die Software jedoch nicht leisten, das bleibt Aufgabe des Forschenden.

Sollten Sie Unterstützung bei Ihrer empirischen Inhaltsanalyse benötigen, wenden Sie sich gerne an uns.

Literatur:

Mayring, Philipp (2015): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken, 12. überarbeitete Auflage, Beltz

Fachhochschule Köln (2014): Forschen mit Leitfadeninterviews und qualitativer Inhaltsanalyse, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, Köln

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